Vegesacker Traditionsschiffer diskutieren mit Rechtsexperten die Folgen neuer Richtlinien

„Das würde das Aus bedeuten“ (Quelle: Weser Kurier - Katja Bettina Wild 05.10.2016)

Im Obergeschoss des denkmalgeschützten Thiele-Speichers sind die Fenster zwar klein. Aber wer hindurchschaut, genießt einen direkten Blick auf den Museumshafen und die Traditionsschiffe. Nicht um schöne, sondern um eher düstere Aussichten ging es aber jetzt beim Informationstreffen, zu dem der Verein Kutter- und Museumshaven Vegesack in seine Räumlichkeiten eingeladen hatte – zusammen mit dem Dachverband „Gemeinsame Kommission für historische Wasserfahrzeuge“ (GSHW). Sorgen bereitet den Schiffseignern und Crewmitgliedern –wie berichtet – ein neuer Verordnungsentwurf, den das Bundesverkehrsministerium kürzlich für die Traditionsschifffahrt vorgelegt hat.

Vegesack mit Herz und Hafen – mit diesem Spruch wirbt der Stadtteil. Allerdings befürchten die Kutterkapitäne jetzt Probleme für viele Traditionsschiffe. „Es sind darin viele Punkte enthalten, in denen noch Änderungsbedarf besteht“, sagte der Vereinsvorsitzende Rolf Noll. „Sollte die Verordnung in dieser Form in Kraft treten, würde das für viele Traditionsschiffe das Aus bedeuten.“ Entsprechend groß war das Interesse an der Veranstaltung: Fast alle Sitzplätze des Vereinsheim waren belegt. Viele wollten wissen, ob sie von den neuen Regelungen betroffen sein könnten und welche Konsequenzen sich daraus ergeben würden.
Thomas Hoppe, zweiter Vorsitzender der GSHW und Jurist, hat das 146 Seiten umfassende Dokument und das 41-seitige Vorblatt unter die Lupe genommen. „Der Entwurf enthält offensichtliche redaktionelle Fehler, verstößt in einigen Bereichen gegen höherrangiges EU-Recht und wurde in weiten Bereichen ohne wirkliche Sachkunde gemacht“, stellte er fest. Es werde der Eindruck erweckt, dass es in der Traditionsschifffahrt besonders häufig zu Unfällen komme, was aber nicht stimme.
„Es wurden Unfälle einbezogen, die nichts mit der Traditionsschifffahrt zu tun haben, auch holländische Fälle. Hier werden Erbsen mit Möhren verwechselt“, kritisierte er und betonte, dass es seit dem Inkrafttreten der Sicherheitsrichtlinien (Siri) im Jahr 2000 nur sechs Unfälle gegeben habe, an denen Traditionsschiffe beteiligt waren – Tote habe es keine gegeben. Auch die Bundesstelle für Seefalluntersuchung (BSU) habe bestätigt, dass die Traditionsschifffahrt außerordentlich sicher sei.
„Es sind vier bis fünf Bereiche, die uns an dem Entwurf stören“, so Thomas Hoppe. Als Erstes nannte er die Eingangsvoraussetzungen. Dabei geht es um die Frage, welches Schiff als Traditionsschiff gilt. „Dazu gibt es eine EU-Definition, die nur in Deutschland nicht akzeptiert wird.“ Er fordert, dass die Entscheidung darüber, ob ein Schiff als historisch einzustufen ist, von unabhängigen Experten getroffen wird und ein Zentralregister beim Deutschen Schiffahrtsmuseum in Bremerhaven eingerichtet wird.
Die Berufsgenossenschaft möchte Thomas Hoppe an dieser Entscheidung nicht mehr beteiligt sehen. „Verantwortlich für die permanente Verschärfung der Zulassungsbedingungen ist die Berufsgenossenschaft, aber die gesetzlichen Rahmenbedingungen haben sich nicht verändert“, hob er hervor. „Vor vier Jahren kam es zu einer Eskalation, die 80 Prozent der Flotte stillzulegen drohte. Man kann hier wirklich nur noch von Willkür reden.“ Rolf Noll wies auf die nach seiner Ansicht bestehende Interessenkollision der Berufsgenossenschaft mit der Berufsschifffahrt hin, die sich gegenüber der Traditionsschifffahrt als benachteiligt betrachte.
Für die Betreiber ist die Zulassung als Traditionsschiff von immenser Bedeutung, weil sie dadurch die Möglichkeit erhalten, Gästefahrten gegen Entgelt anzubieten. Die Einnahmen werden für den Erhalt und den Betrieb der Schiffe benötigt und dürfen auch nur dafür verwendet werden. Ohne den Status als Traditionsschiff fallen die Einnahmen weg – und damit oft auch die finanzielle Grundlage für die Erhaltung der Schiffe, bei der es sich nach den Worten von Thomas Hoppe ohnehin um ein Zuschussgeschäft handelt.
Beim nächsten Punkt ging es um Repliken. Der GSHW-Vorsitzende kritisierte, dass die Verordnung nur noch bei Einzelnachbauten eine Gleichstellung mit Traditionsschiffen vorsieht, nicht aber bei Gattungsnachbauten. Dies würde die Koggen betreffen, da es von ihnen mehrere gibt.
Missfallen löste auch die Vorgabe für Eigner aus, alle vier Jahre den Nachweis erbringen zu müssen, dass das Schiff historisch ist, auch wenn sich daran nichts geändert hat. Im Bereich Sicherheit bemängelte Thomas Hoppe das Verbot von Dopplungen. „Das geht aber bei genieteten Rümpfen gar nicht anders. Es gibt eine Reihe von Voraussetzungen, die deshalb nicht erfüllt werden können, weil dann viele Traditionsschiffe stillgelegt werden müssten.“ Einen erheblichen Aufwand stelle auch der Nachweis der Seediensttauglichkeit im Alter dar. „Wenn wir unsere Leute alle vier Wochen zu einem Lehrgang und einmal im Jahr zum Amtsarzt schicken, dann hören die auf“, sagte er. „Wir haben nicht viel Geld übrig, deshalb bedeuten die Vorschriften für viele Schiffe das Aus.“ Thomas Hoppe begrüßte die Beibehaltung des Bestandsschutzes, kritisierte aber, dass dieser mit dem Verkauf des Schiffs endet. Dazu erklärte Norbert Lange-Kroning vom Verein Maritime Tradition Vegesack Nautilus: „Das Boot kann nicht oder nur zu einem geringeren Preis verkauft werden, wenn mit dem Eigentümerwechsel der Bestandsschutz erlischt. Das führt dazu, dass Investitionen nicht getätigt werden – wie zum Beispiel Reparaturen, weil die Planungssicherheit für den Eigner fehlt. Es ist wichtig, dass es eine Übergangsfrist gibt.“ „Wie geht es nun weiter?“, wollten die Teilnehmer wissen. „Uns wurde eine Frist zur Stellungnahme bis zum 5. Oktober gewährt. Die Stellungnahme werden wir auch auf unserer Internetseite unter www.gshw.de veröffentlichen. Danach wird es ein Treffen mit dem Verkehrsausschuss geben“, erklärte Hoppe. Er ist zuversichtlich und versichert: „Die Politik ist uns gewogen, die wollen uns behalten.“

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